Wem und Was gehört Europa?
Denkzeitraum 2019-22
Vortrag und Diskussion: Koloniale Kulturgüter und deren Verbleib
Hofrat Dr. Wolfgang Muchitsch, Direktor des Universalmuseums Joanneum, berichtet über die Bemühungen seines Museums,
eine Sammlung von Kulturgütern, die steirische Missionare aus Brasilien mitgebracht haben, an Brasilien zu restituieren.
Die Frage, welche Kunstobjekte, Kulturgüter und andere Artefakte sich in europäischen Museen befinden
und wie sie dorthin gekommen sind, beschäftigt zusehends mehr Menschen. Welchen Anspruch hat Europa auf Objekte mit kolonialer Geschichte? Helmut Konrad (Universität Graz, Geschichte), Lukas Meyer (Universität Graz, Philosophie) und Alessandro Pinzani (Federal University of Santa Catarina, Brasilien) diskutieren über diese Frage.
Vortrag: Hat Europa eine Identität?
Frau Dr. Bärbel Frischmann, Professorin für Geschichte der Philosophie an der Philosophischen Fakultät der Universität Erfurt, referierte im Rahmen des Denkzeitraums „Wem und was gehört Europa?“ über die Aspekte der Ausbildung europäischer Identitäten. Für sie verlangt die Bestimmung einer „Identität“, z.B. von Europa (oder der EU im engeren Sinne), eine Fixierung nach innen und eine Abgrenzung nach außen. Beides ist unter den Bedingungen moderner Lebensformen und von Globalisierungsprozessen problematischer geworden. Nach innen ist die Homogenisierung zunehmend schwierig, wenn sich Vorstellungen von Identität als „Patchwork“, als Puzzle, als kontingent ausbreiten. Nach außen lösen sich Grenzziehungen auf. Wirtschaftliche, politische, kulturelle Kooperationen sowie weltumspannende mediale Vernetzungen lassen einzelne Staaten oder Gemeinschaften kaum noch unter dem Aspekt von Identitäten fixieren. Andererseits wünschen sich viele Menschen nach einer festen Identität, für sich selbst, aber auch für ihr Land oder ihre Region, und dies um den Preis, sich von anderen abzuschotten. So wuchern Ausgrenzung, Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus.
Im Vortrag wurde diskutiert, was mit dem Wunsch nach Bestimmung von „Identität“ verbunden wird, was am Begriff der Identität problematisch ist und ob es sinnvoll ist, von einer „Identität“ Europas (bzw. der EU im engeren Sinn) zu sprechen, oder ob diese Identitäts-Perspektive aufgegeben werden sollte.




Vorträge: "Zur internen und externen Legitimität der Europäischen Union" und "Nach dem Ende der Geschichte - Politische Wende und Kehrtwende in Zentraleuropa"
Em.o.Univ.-Prof. DDr. Peter Koller, Karl-Franzens Universität Graz: Die Legitimität politischer Gemeinschaften, also von staatlichen Gemeinwesen, aber auch von plurinationalen Gemeinschaften wie die der EU, hat zwei Seiten: interne Legitimität aus der Sicht der Mitglieder und externe Legitimität gegenüber der sozialen Außenwelt. Ausgehend von einer Skizze der normativen Erfordernisse beider Seiten soll versucht werden, die Meriten und Defizite der EU, sowohl hinsichtlich ihrer internen wie auch ihrer externen Verhältnisse, in Kürze zu beleuchten.
Dr. László Levente Balogh, Dozent an der Universität Debrecen, Lehrstuhl für Politikwissenschaft: Direkt nach dem Zusammenbruch des realexistierenden Staatssozialismus in Zentral- und Osteuropa wurden liberale Demokratie, Marktwirtschaft und Sozialstaatlichkeit als alternativlose Modelle für postdiktatorische Gesellschaften betrachtet. Das westliche politische Modell erschien plötzlich als Erfolgsmodell, dessen Krisensymptome und inhärente Spannungen verschwiegen oder zumindest in Klammer gesetzt wurden. Nicht allein Naivität und Fatalismus spielten bei der Übernahme dieser Ordnung erhebliche Rollen, sondern auch der Zeitgeist der Lehre vom „Ende der Geschichte”. Nach dem Abklingen des großen aber kurzlebigen Enthusiasmus der „Stunde null” kamen sehr schnell schwere Irritationen auf. Seit dem Ende der 90er Jahre entstand im diesem Raum eine Grauzone, die nicht mehr ohne weiteres für demokratisch gehalten werden kann, sondern in dem die Demokratie je nach Ländern mit verschiedenen Adjektiven versehen wurde, die immer eindeutig auf Beschädigung der Rechtstaatlichkeit und Beschränkung der Freiheitsrechte hinweist. In dieser Situation kamen populistische Bewegungen und Führer auf, die nicht nur die Macht ergreifen, sondern auch an der Macht bleiben konnten, wodurch sie heute oft ein politisches Erfolgsrezept darstellen. Dies verweist darauf, dass liberale Demokratie keine Einbahnstraße ist und auch heute in Europa gefährdet werden kann.
Philosophisches Café über den Tod
„Der Tod ist kein Ereignis des Lebens. Den Tod erlebt man nicht.“ [6.4311] Ludwig Wittgenstein
Was wir aber erleben können, ist ein philosophischer Gedankenaustausch über den Tod. Am Abend vor Allerheiligen lud der Denkzeitraum herzlich zu einem philosophischen Café über das Thema „Tod“ in den Grätzeltreff Geidorf ein.




Wem gehört Europa? Lange Nacht der Philosophie
Im Rahmen des Denkzeitraums 2019 luden wir philosophisch Interessierte ein, mit Studentinnen und Studenten der Karl-Franzens-Universität Graz im Rahmen der langen Nacht der Philosophie über Europa zu diskutieren. Im philosophischen Café wurden neben der Frage, wem Europa gehört, auch Themen angesprochen wie: Was macht Europa aus? Was bedeutet Europa für uns im Alltag?




Panel Europa und Kolonialismus
Europa normativ und ideell betrachtet: Es geht um die Ideen europäischer Aufklärung, um Freiheit, Autonomie, Person, Menschenrechte, Gerechtigkeit, Verantwortung und Toleranz ebenso wie historische Formen ihrer institutionellen Fassung in Rechtsstaat, Gewaltenteilung und Sozialstaat – mit der Sicherung von u.a. demokratischer Partizipationsrechte und substantieller Chancengleichheit und der Bereitstellung und dem Erhalt öffentlicher Güter als komplexen Staatsaufgaben. Der ideelle, häufig universalistisch verstandene Anspruch Europas steht in einem Spannungsverhältnis zu den historischen und gegenwärtigen Exklusions-Erfahrungen von Menschen und Gruppen, die ihre Beiträge zu den kulturellen Grundlagen Europas nicht angemessen anerkannt finden und ihre Ansprüche an Teilhabe sowie Schutz ihrer grundlegenden Rechte nicht oder nicht ausreichend realisiert sehen. Viele Menschen und Gruppen in und außerhalb Europas wurden (mittelbare) Opfer kolonialer Machtausübung europäischer Staaten, Expansion und partikularistischer Diskriminierung durch europäische Akteure.
Jennifer Page (PhD, Harvard University), Postdoc am Ethik-Zentrum der Universität Zürich, geht dieser Spannung mit Blick auf die Sklaverei in Nordamerika und den Vereinigten Staaten und ihren strukturellen und normativen Konsequenzen nach und fragt nach der besonderen Verantwortung staatlicher Akteure.
Prof. Øyvind Stokke, UiT-The Arctic University of Norway, Tromsø, erörtert die Konsequenzen der Durchsetzung der Politik der “Norwegianisation” gegen die indigene Bevölkerung Skandinaviens und der an den Saami und Kvens verübten Ungerechtigkeiten und untersucht, wie heute deren Erfahrungen anerkannt und ihren Ansprüchen auf Selbstbestimmung entsprochen werden können.
Human Rights – European Genesis, Universal Validity?
Im Rahmen des Denkzeitraums 2020 luden wir philosophisch Interessierte zu zwei Vorträgen sowie einer Diskussion zum Thema Menschenrechte ein. Romina Rekers (University of Buenos Aires) präsentierte hierzu Gerechtigkeitsfragen im Zusammenhang mit der #MeToo-Bewegung und ihrem spanischsprachige Pendant #YoSiTeCreo . Dabei führte sie die Möglichkeit grassierender systematischer sexueller Gewalt gegen Frauen unter anderem auf epistemische Ungerechtigkeit zurück. Zudem ging Wolfgang Benedek (Universität Graz) folgenden Fragen auf den Grund: Was sind die Wurzeln der modernen Menschenrechte heute? Worin liegen die aktuellen Herausforderungen aus der Sicht der Wissenschaft und in der Praxis? Wie könnte eine „Kultur der Menschrechte“ verwirklicht werden




Wir luden im Rahmen des Denkzeitraums philosophisch Interessierte in den Grätzltreff Geidorf ein. Wir diskutierten und tauschten uns wieder über das Thema Europa aus: was bedeutet es uns, allgemein, politisch, philosophisch, literarisch... Wir nahmen den Faden vom November wieder auf.




Internetcafé - Wem gehört das Virus
Bevor jegliche Zusammenkünfte durch die Ausnahmesituation verunmöglicht wurden, waren wir schon mit großer Vorfreude am Planen einer Reihe von Philosophischen Cafés zu Themen im Bereich unserer aktuellen Frage(n) „Wem oder was gehört Europa?“. Diese Pläne konnten nun aber nicht verwirklicht werden, da ein Zusammenkommen nicht mehr möglich war. Doch weil Denken auch darin besteht auf konkrete Gegebenheiten Bezug zu nehmen und sie kritisch zu durchdenken, haben wir unsere Pläne nicht verworfen, sondern einfach adaptiert - denn gerade in einer Krise brauchen wir Philosophie!
Wir haben deshalb ein Denkzeitraum Internetcafé zum Thema „Wem gehört der Virus?“ gestartet. Wir haben unsere Facebookgruppe (https://de-de.facebook.com/Denkzeitraum) dazu verwenden, über verschiedene Impulstexte in Themen und Aspekte dieser Krise einzusteigen und sie zu diskutieren. Dazu wurde alle paar Tage ein Post von uns erstellt unter welchem (in der Kommentarspalte) diskutiert werden konnte.
Philopfad zum Thema "Bewegung"
Alle tun es, niemand spricht darüber: Bewegung.
Bei diesem philosophischen Spaziergang durch den Botanischen Garten gingen wir Fragen zu Wachstum und Veränderung nach und erörtern, was Philosoph*innen dazu sagen.




Philopfad zum Thema "Gerechtigkeit"
Die Frage, was Gerechtigkeit ist und wie sie sich in einer Gesellschaft herstellen lässt, beschäftigt die Philosophie seit ihren Anfängen. Bei diesem philosophischen Streifzug durch den Botanischen Garten gingen wir Lösungsvorschlägen nach.
Café Philosophique: Philosophieren heißt sterben lernen
Ausgehend von Montaignes Essai gleichen Titels sprachen wir nach einer kurzen Einführung über stoische Philosophie, Leben, Leiden, Tod und Sterben – und wie das Philosophieren uns dabei begleitet.
Café Philosophique: Was in der Krise wirklich hilft
Die Jahre wechseln, die Pandemie blieb. Im neuen Jahr, im mittlerweile dritten Lockdown, war es wieder Zeit über unsere Zeit nachzudenken – und wo kann man das besser als in einem Café Philosophique?
„Was hilft wirklich in schwierigen Zeiten?“, ist die Frage, die uns beschäftigte.
Inscrire – Menschenrechte schreiben im öffentlichen Raum
Mit Francoise Schein, Barbara Reiter
Organisiert von Barbara Reiter, Maria Heinemann und Claudia Beiser, finanziert vom Grätzeltreff und unterstützt durch die Österreichische Gesellschaft für Politische Bildung.
Partizipatorisches Nachbarschaftsprojekt als Workshop am 15. und 16. Oktober 2021.




Podiumsdiskussion zur Frage nach der Restitution kolonialer Güter
mit Eingangsstatements von Claudia Augustat, Raphael Gross, Wolfgang Muchitsch, Katrin Vohland
Organisation und Moderation Lukas Meyer, einleitende Worte Helmut Konrad.
21. Oktober, Botanischer Garten/Holteigasse 6
Wie sollen Museen umgehen mit Kulturgütern, die während der Kolonialzeit unter fragwürdigen Umständen nach Europa gekommen sind? Wer dieser Frage nachgeht, steht bald vor einem Dilemma: Haben etwa indigene Gruppen einen (zumindest ethischen) Anspruch auf Rückgabe der kolonialen Güter, eventuell sogar ohne Konditionen, oder können die ehemaligen Imperial-Staaten beanspruchen, diese Güter zu besitzen, in ihren Museen auszustellen und zu forschen? Wie Helmut Konrad in seinen einleitenden Worten betont: Die Frage nach der Restitution ist “eine Angelegenheit, die uns alle sehr bewegt”. Vor allem vom Humboldt-Forum in Berlin sei dazu schon viel gekommen, aber auch vom British Museum bis hin zum Volkskunde Museum Graz. Es sei eine Angelegenheit, die „zumindest mit einem moralischen Fragezeichen versehen werden kann“. Und diese Auffassung teilten sodann alle vier von Helmut Konrad vorgestellten Diskutanten, die jeweils in einem zehnminütigen Eingangsstatement darüber sprachen, wie in ihren Museen mit den Folgen der Kolonialzeit umgegangen wird: Claudia Augustat (Weltmuseum Wien), Katrin Vohland (Naturhistorisches Museum Wien), Raphael Gross (Deutsches Historisches Museum) und Wolfgang Muchitsch (Universalmuseum Joanneum).




Philosophisches Café zum Thema Krieg und Menschenrechte
Auf traurige Weise ist unser Thema Menschenrechte und Alltag brisant geworden. Wie gehen wir
mit den Menschenrechtsverletzungen um, die hier und jetzt in Europa geschehen? Wie viel an
Ohnmacht und Hilflosigkeit bleibt? Wir tauschten uns aus und dachten gemeinsam nach.



